Handysucht – ein Erfahrungsbericht

Kinder in der Sucht nach Handy und Internet, Facebook, Whatsup und Twitter –

Ein Erfahrungsbericht von Eltern für Elternhandysucht

Nick ist ein kreativer, intelligenter Jugendlicher. Er treibt regelmäßig Sport, besucht in seiner Freizeit Kunstkurse, verdient sich etwas Geld mit Nachhilfe und möchte später Design studieren. Seine Eltern erzählten, dass er mit 12 Jahren sein erstes Handy vom Vater bekam. Nach etwa 2 Jahren kamen Facebook und Whatsapp dazu und Nick begann sich zu verändern. Er ging ohne Smartphone nirgends mehr hin. Es klingelte ständig und all die Nachrichten die er bekam ließen kein normales Gespräch mehr zu. Er war sehr abgelenkt und die Noten in der Schule wurden schlechter. Als Nick nachts nicht mehr schlief, weil er mit den Freunden chatten musste und tagsüber ständig übermüdet war, realisierten die Eltern, dass sich etwas ändern musste.

Alle Versuche die Handyzeiten einzuschränken scheiterten. Nick reagierte auf jeden Verzicht zunehmend aggressiver. Erklärungen, Diskussionen, Absprachen, Gespräche mit Lehrern – alles führte zu keiner Verbesserung. Dann setzten die Eltern wiederholt ein Ultimatum, das nicht eingehalten wurde und so sollte es zum ersten Mal zum völligen Entzug der Handys kommen. Eine Woche war geplant. Nick reagierte völlig verzweifelt: “ Wenn ihr das tut, bin ich völlig isoliert und habe keine Freunde mehr!“ Die Eltern erließen den Entzug und vereinbarten wieder eine selbstkontrollierte Einschränkung. Aber wie in den vielen Versuchen zuvor funktionierte dies alles nicht. Nick sprach inzwischen am Tisch nicht mehr ohne das Handy im Auge zu haben. Seine Sprache veränderte sich. Sein Wesen wurde ablehnend und unausgeglichen. Er reagierte zunehmend aggressiv auf Ansprache und jede Aufforderung das Handy wegzulegen. Er wurde passiv, traf sich nicht mehr mit Freunden und malte nicht mehr. Als die Mutter über die inzwischen schlechten Noten und die zunehmende Unzuverlässigkeit ihres Sohnes ihm das Handy in einem Streit wegnahm, schlug Nick mit der Faust die Tür seines Kleiderschranks ein.

An diesem Tag kam den Eltern zum ersten Mal der Gedanke einer Sucht. Im Internet recherchierten Sie dazu und mussten erkennen, dass sie nicht allein waren. Es gab zahllose Einträge in Foren von Eltern, die die gleichen Symptome beschrieben. Die ersten Kliniken spezialisierten sich auf internet- und handysüchtige Jugendliche. Nun versuchten die Eltern verstärkt Regeln und Absprachen zur Einschränkung des Konsums zu erarbeiten, aber kein Versuch war von langer Dauer. Inzwischen war Nick 15 Jahre alt und die Eltern zunehmend verzweifelt. Es gab jeden Tag Streit.

Entzugserscheinungen

Da half ein Zufall. Das Handy ging kaputt! Nick hatte Entzugserscheinungen. Er konnte nicht schlafen, war unruhig, rastlos, aggressiv. Aber nach einigen Tagen begann er sich abzulenken mit Sport, begann wieder zu malen und für die Schule zu üben. In einer Nacht malte er bis 3 Uhr morgens. Als sein Vater über die Bilder staunte meinte er: „ Papa, ich war wie im Rausch, das musste raus!“ Einige Wochen später wurden diese Bilder in Nicks erster Ausstellung gezeigt. Die Noten wurden ebenfalls besser und Nick war stolz. Nick bemerkte selber, dass es ihm besser ging und er ohne Handy leben konnte und sagte das den Eltern auch. Aber er sparte auch für ein neues Handy. In einigen Wochen würde er das Geld zusammenhaben. Er bettelte die Eltern an und versuchte sich überall Geld zu leihen. Die Eltern bemerkten mit Freude , dass sie ihren Sohn wiederhatten, dass er wieder der Alte war, aber sie hatten Angst vor dem Tag an dem Nick das Geld zusammenhaben würde.

Ein Lösungsversuch

Da versuchte es der Vater mit einem Angebot: Wenn Nick freiwillig bis zum Abitur auf ein Handy verzichten würde, würde der Vater dies mit einem monatlichen Taschengeld honorieren. Nick war gerade 16 geworden und konnte Geld gut gebrauchen. Bisher erhielt er kein regelmäßiges Taschengeld. Aber entrüstet wies er den Vorschlag ab. „Vergiss es ! In 3 Wochen habe ich genug Geld gespart. Papa, ich werde nie mehr ohne Handy sein!“

Zwei Wochen später machte der Vater einen erneuten Versuch. Er zeigte Nick noch einmal alle positiven Veränderungen auf und bat den Sohn darüber nachzudenken. Diesmal lehnte Nick nicht sofort ab, sondern kam ins Grübeln. Er diskutierte sogar mit seinen Freunden über die Vor- und Nachteile dieses Angebots. Und er fällte eine starke Entscheidung. Er verzichtete auf das Handy und bekam ab jetzt ein sattes Taschengeld mit dem er endlich mehr mit seinen Freunden machen konnte. Seit dieser Zeit kommen sie regemäßig zu ihm mach Hause und er unternimmt viel mehr mit seinen Freunden. Seine Kontakte rufen einfach an und er telefoniert mit ihnen und spricht Termine ab. Er hat auch neue Freunde gewonnen und treibt mehr Sport. Die Schulnoten sind gut und er bereitet sich auf das Abitur vor. Er geht regelmäßig zum Malkurs und entwickelt sich weiter. Er ist ausgeglichener und ein guter Zuhörer und Gesprächspartner. Er ist stolz auf seine Entscheidung und sagt neuen Bekannten offen, dass er kein Handy hat und bei Facebook und Whatsapp nicht zu erreichen ist.

Die Eltern wollen anderen Eltern Mut machen:

  • Haltet die Kinder so lange wie möglich von Smartphones fern – kein Kind braucht ein Smartphone um „dazuzugehören“
  • Whatsapp und Facebook können süchtig machen !
  • Seien Sie von Anfang an wachsam, beobachten Sie Ihr Kind gut und versuchen Sie zu regulieren. Führen Sie feste handyfreie Tage ein.
  • Sobald Suchtsymptome auftreten – Entzug. Nehmen Sie Ihre Erziehungsverantwortung wahr – auch wenn es schmerzt und stresst !
  • Nicht Bange machen lassen! Kein Kind braucht Facebook und Whatsapp um Freunde zu haben oder glücklich zu sein!!!
  • Seien Sie ein Vorbild ! Legen Sie Ihr Handy weg! Überprüfen Sie Ihren eigenen Medienkonsum ! Schaffen Sie Alternativen ohne Handy.

Weitere Informationen zur Handysucht bei Kindern und Jugendlichen

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