Schlucken ist einer der frühesten angeborenen Reflexe. Wir schlucken etwa 1000 Mal am Tag und dennoch haben wir oft kein Bewusstsein für diesen hochkomplexen Vorgang, an dem etwa 50 Muskeln beteiligt sind. Erst wenn wir uns verschlucken und unsere Schutzreflexe wie Räuspern und Husten einsetzen, wird uns bewusst, wie elementar das Schlucken für uns ist.
Wenn der Schluckakt krankhaft verändert ist (Dysphagie), wird Essen und Trinken zu einem ernsten Problem. In schweren Fällen kann auch der eigene Speichel nicht mehr sicher geschluckt werden. Dann können ernsthafte gesundheitliche Probleme auftreten. (Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Mangelerscheinungen, Lungenentzündung). Bei manchen Patienten ist eine Ernährung nur noch mittels einer Magensonde möglich.
Die Lebensqualität von Patienten mit einer Dysphagie kann schwer beeinträchtigt sein, wenn sie keine Freude mehr am Essen, oder Angst vor dem Schlucken haben. Eine rechtzeitige gründliche Diagnostik und Behandlung einer Dysphagie ist deshalb wichtig.
Symptome der Dysphagie
mögliche Zeichen einer Dysphagie können sein:
- Druckgefühl im Hals nach oder während des Schluckens, Gefühl von Speiseresten
- Würgereiz während des Schluckens
- häufiges Husten oder Räuspern während der Mahlzeiten
- vermehrter Speichelfluss
- Restebildung im Mund
- nasaler Stimmklang oder Heiserkeit
- Atemnot während oder nach dem Essen oder Trinken
- brodelnder Stimmklang
- Austritt von Nahrung aus der Nase
- in extremen Fällen ist die Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich
Presbyphagie
Schluckstörungen können in jedem Alter auftreten, besonders betroffen sind aber ältere Menschen. Etwa 45% der über 75 Jährigen haben Schluckbeschwerden. Ursachen sind hier das im Alter häufig erschwerte Kauen, die herabgesetzte Sensibilität im Mund, die Veränderungen der Schleimhäute und die häufig reduzierte Muskelkraft. Hinzu kommen die im Alter häufiger auftretenden neurologischen Erkrankungen. Bei älteren Menschen zeigen sich als Folgeerscheinungen zuerst Appetitlosigkeit, Austrocknung, Schleimhautveränderungen im Mund, Gewichtsabnahme, Mangelerscheinungen und unklares Fieber. Die Schluckstörung wird hier häufig erst spät bemerkt, wenn eine Lungenentzündung aufgetreten ist.
Stille Aspiration
Die stille Aspiration stellt eine besondere Gefahr dar. Durch eine stark eingeschränkte Sensibilität im Rachen, Kehlkopf,und Luftröhre können Flüssigkeiten oder Nahrung in den Kehlkopf eindringen (Penetration) und ohne Auslösung der Schutzreflexe (Räuspern und Husten) in die Luftröhre und in die Lunge gelangen (Aspiration). Der Patient bemerkt dies nicht. Auffällig sind diese Patienten nur durch Luftnot nach dem Essen, brodelnder Stimmklang und Atmung und evtl. leichten Temperaturerhöhungen nach dem Essen. Oft wird die stille Aspiration nicht rechtzeitig erkannt und es entwickelt sich eine Aspirationspneumonie.
Im Video sehen Sie eine Videofluoroskopie einer Patientin mit stiller Aspiration.
Man sieht deutlich, dass ein Teil des geschluckten Kontrastmittels in den Kehlkopf eindringt und sich dort verteilt und verbleibt und ein deutlicher Anteil sofort tief in die Luftröhre gelangt. Die Patientin reagiert nicht! Erst nach Aufforderung durch den Untersucher zum Nachschluck und Husten wird versucht das Kontrastmittel zu entfernen. Es gelingt der Patientin jedoch nicht. Im Kehlkopf und besonders in der unteren Luftröhre verbleiben deutliche Reste!
Ursachen der Dysphagie
Die Ursachen für Dysphagien sind vielfältig. Meist entsteht eine Dysphagie als Folge einer anderen Erkrankung. Sie kann aber auch als Folge des normalen menschlichen Alterungsprozesses entstehen.
mögliche organische Ursachen sind:
- Verletzungen oder Operationen in der Mundhöhle
- Tumore der Mundhöhle, des Rachens und der Speiseröhre
- Entzündungen der Mundhöhle und des Rachens/Kehlkopfes
- Zahnverlust / Zahnersatz
- Lähmungen der am Schluckvorgang beteiligten Muskeln
- eingeschränkte oder aufgehobene Sensibilität im Mund und Rachenraum
- Entzündungen oder Veränderungen der Speiseröhre und der Schilddrüse
- Trachealkanüle nach Luftröhrenschnitt
Folgende neurologische Erkrankungen können Ursache einer Schluckstörung sein:
- Schlaganfall / Apoplex
- Schädel Hirn Traumata
- Amyotrophe Lateralsklerose
- Multiple Sklerose
- Morbus Parkinson
- Demenz und neurodegenerative Erkrankungen
Auch psychische Ursachen müssen bei einer Schluckstörung in Betracht gezogen werden. Eine Depression oder eine Angststörung kann zur Nahrungsverweigerung führen oder zu einem übersteigerten Würgereiz. Besonders bei älteren Menschen kann das Geschmacks- und Geruchsempfinden beeinträchtigt sein und somit der Genuss am Essen verloren gehen. Bei diesen Patienten kann dann eine geringfügige Schluckstörung zur vollständigen Nahrungsverweigerung führen. Gerade ältere Patienten zeigen dann Folgeproblemen wie Gewichtsabnahme, Exsikkose (Austrocknung), geistige Eintrübung und weiterer Reduktion des Allgemeinzustandes. Besonders bei bettlägerigen Patienten, die nach einem Fehlschluck nicht mehr die Kraft haben produktiv zu husten, können Nahrungsreste in der Lunge verbleiben. Dies kann zu einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung führen (Aspirationspneumonie)
Diagnostik der Dysphagie
Bei Verdacht auf Dysphagie, sollte eine gründliche Diagnostik durchgeführt werden. Diese kann durch eine Untersuchung eines Logopäden erfolgen, muss aber durch zusätzliche ärztliche Untersuchungen (z.B. Neurologen, HNO Ärzte, Phoniater) ergänzt werden.
Die ärztliche Diagnostik kann folgende Untersuchungen umfassen:
- Röntgenuntersuchungen wie Ösophagusbreischluck
- oder Videofluoroskopie (Darstellung des Schluckvorgangs mit Kontrastmittel und Darstellung auf Videomaterial)
- FEES (Überprüfung der Nahrungsaufnahme durch eine flexible Endoskopie über die Nase)
- Gastrologische Untersuchung
- Neurologische Untersuchung
- Zahnärztlichen Untersuchung
- Phoniatrische oder HNO- ärztliche Untersuchung
- psychosomatische Abklärung
In der logopädischen Untersuchung wird der Logopäde nach einer umfassenden Anamnese mit dem Patienten und seinen Angehörigen die Körperhaltung und die Atmung des Patienten während der Nahrungsaufnahme beobachten. Die Überprüfung der Sensibilität im Gesicht und im Mundraum und der Mundmotorik und Zungenfunktion schließen sich an. Bei der Inspektion des Mundraums können Beläge, Entzündungen, Prothesensitz und Schleimhautveränderungen auffallen, die schon vor dem eigentlichen Schluckakt die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen. Eine Überprüfung der wichtigsten Reflexe (Würgreflex, Hustenreflex, Schluckreflex) wird ebenso durchgeführt, wie die Beobachtung des eigentlichen Nahrungsschluckes mit unterschiedlichen Konsistenzen (flüssig, sirupartig, breiig, fest, krümelig)
Therapie der Dysphagie
Die möglichen therapeutischen Maßnahmen richten sich nach Ergebnissen der Diagnostik und den möglichen Ursachen der Dysphagie. Ziel jeder Behandlung ist die Vermeidung von Komplikationen und die Erhaltung von Lebensqualität.
mögliche therapeutische Maßnahmen sind:
- Verbesserung der Mundhygiene, Behandlung von Infektionen im Mund
- Verbesserung der Zahnsituation und der prothetischen Versorgung
- Beseitigung von Tumoren oder Schwellungen im Mund und Rachenraum
- Verbesserung des Haltungsaufbaus und der Mobilisation
- Verbesserung der oralen Sensibiltät
- Stimulation zur Verbesserung der neuronalen Steuerung des Schluckablaufs
- motorische Übungen zur Stärkung der Kraft und Ausdauer einzelner am Schlucken beteiligter Muskeln
- Aufbau und Stärkung der Schutzreflexe durch spezielle Schluckmanöver
- kompensatorischen Maßnahmen in Bereichen Haltung und Schluckmuster
- kompensatorische Maßnahmen in der Nahrungszubereitung und in der Kostzusammenstellung (Andicken von Flüssigkeiten, Pürieren der Kost, Ernährungsberatung, Nahrungsergänzungsmittel, hochkalorische Nahrung)
- Schulung der Angehörigen zur Ernährung, Schluckmanövern, und Sofortmaßnahmen bei Aspiration
- Sondenversorgung bei Patienten, bei denen eine ausschließlich orale Ernährung nicht möglich ist
Schluckstörungen können in den meisten Fällen behandelt werden. Oft reichen kleine Veränderungen aus, um eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität zu erzielen. Viele Patienen profitieren von kompensatorischen Maßnahmen und können so ihre Fähigkeit zur oralen Nahrungsaufnahme und den Genuss von Lebensmitteln erhalten. Unbedingt vermieden werden muss aber das Risiko der Aspirationspneumonie. Daher sollten sich Angehörige beraten lassen und Patienten rechtzeitig bei Verdacht auf eine Schluckstörung ihren Arzt aufsuchen und eine Diagnostik beginnen.
Allgemeine Tipps:
- Essen Sie langsam und kauen Sie ausreichend
- lassen Sie sich Zeit für Ihr Essen
- Ablenkungen vermeiden
- essen Sie in aufrechter Position
- kauen und schlucken Sie nur kleine Portionen
- passen Sie die Konsistenz Ihrer Nahrung an
- Vermeiden Sie das Mischen unterschiedlicher Konsistenzen im Mund (Hühnerbrühe mit Nudeln)
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