David war 6 Jahre alt, als er wegen Stottern zu mir kam. Er strengte sich sehr an, wenn er sprach. Er drückte und presste die Worte heraus. Seinen Namen wollte er gar nicht nennen. Er hatte eine klare Vorstellung wann und bei welchen Lauten das Stottern ihn überfallen würde.
Seine Angst vor diesen Lauten war so groß, dass ich beschloss mit ihm an diesen Sprechängsten zu arbeiten.
Wir planten eine Ballonreise. Er solle einen Rucksack mit Proviant für ein Picknick und einen Schal und Mütze (in den Wolken ist es kalt) zur nächsten Sitzung mitbringen. Ich erklärte ihm, dass unterwegs etwas passieren würde und wir auf einer Zauberinsel landen würden…
Nächste Stunde kam er mit Proviant und war sehr gespannt. Die Hängematte war unser Ballonkorb, der große Ball unser Ballon. Wir machten ein Picknick über den Wolken und durchlebten einen „Sturm“. Wir schrien und kreischten – es war ein großer Spaß und Stottern und die Angst vor Worten und Lauten spielte plötzlich keine Rolle mehr.
Dann kam der Rabe. Er machte ein Loch in den Ballon und wir mussten notlanden auf der einzigen Insel im Meer. David machte große Augen und war sehr gespannt – die Zauberinsel kam !!! Was mochte ihr Geheimnis sein ??
Sobald ich aus dem Ballon sprang und Land betrat, veränderte sich meine Sprache. Ich sprach nur noch „dadadodo“ Sprache. Ich rief ihm zu und winkte er solle an Land kommen und mir den Rucksack zuwerfen: „dadadodo didadu. dadada didie…“
Da erstarrte Davids Gesicht, seine Freude, und Offenheit erstarb und das Stottern zeigte seine Macht. Er stieg aus dem Ballon und sah mich traurig und vorwurfsvoll an: „Herr Abel, Du weißt genau, dass ich das nicht kann!“
Es fiel mir sehr schwer, David zu überreden die Zauberinsel zu betreten und einen Versuch zu machen. Aber er war stark und mutig und überwand die Angst. Vorsichtig begann er sich auf die dadadodo Sprache einzulassen und entdeckte, dass er in dieser einfachen Silbensprache keine Angst haben musste. Er traute sich immer mehr und wir begannen uns in dadadodo zu unterhalten, gaben uns Anweisungen und erfanden Lieder in der neuen Sprache. Als seine Mutter ihn am Ende der Stunde abholte, sprach er sie in dadadodo an und „übersetzte“ ihr dann, weil sie mich nur fragend anlächelte.
Er verließ die Praxis singend – mit einen fröhlichen dadadodo Lied.
Die Angst vor dem /d/ war besiegt!